Außer Spesen nichts gewesen!

Veröffentlicht in der Tageszeitung "Darmstäder Echo" am 18.03.2006

Außer Spesen nichts gewesen! - Zulässigkeit einer unbezahlten Kennenlernphase im Arbeitsverhältnis?

 

Zwar kann bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses die Vereinbarung einer Probezeit oder einer Befristung dem Arbeitgeber regelmäßig ausreichend Gelegenheit zur Prüfung des Arbeitnehmers geben, gleichwohl gehen in der Praxis immer mehr Arbeitgeber dazu über, vor Abschluss eines Arbeitsverhältnisses eine unentgeltliche Kennenlernphase von einem oder mehreren Tagen zu vereinbaren. Im juristischen Sprachgebrauch spricht man hierbei von einem so genannten Einfühlungsverhältnis.

 

Insbesondere wenn es im Anschluss an diese Kennenlernphase nicht zum Abschluss des gewünschten Arbeitsverhältnisses kommt, stellt sich die Frage, ob und in welcher Höhe der Arbeitnehmer einen Vergütungsanspruch hat. Auch wenn derartige Schnuppertage von den Parteien regelmäßig als „Probearbeiten“ bezeichnet werden, ist dennoch genau zu differenzieren. Denn die Rechtssprechung unterscheidet zwischen einem echtem Probearbeitsverhältnis, welches einen Vergütungsanspruch begründet, und einem Einfühlungsverhältnis, bei dem grundsätzlich eine Vergütung nicht geschuldet ist.

 

Beide Rechtsverhältnisse verfolgen einen sehr ähnlichen Zweck, denn es sollen die Voraussetzungen der Zusammenarbeit geklärt werden, bevor eine endgültige Bindung herbeigeführt wird. Dem Arbeitnehmer soll die Gelegenheit gegeben werden, sich mit den betrieblichen Verhältnissen vertraut zu machen, insbesondere soll er seinen Arbeitsplatz kennen lernen. Der Arbeitgeber soll die Gelegenheit zur Beurteilung erhalten, ob der Arbeitnehmer in den Betrieb integriert werden kann und seine Fähigkeiten den Aufgaben entsprechen. Das Einfühlungsverhältnis ist aber im Gegensatz zum Probearbeitsverhältnis kein echtes Arbeitsverhältnis, sondern versteht sich vielmehr als unbezahlte Kennenlernphase und daher als ein loses Rechtsverhältnis eigener Art. Wesentlicher Unterschied zum Probearbeitsverhältnis ist, dass der Bewerber in den Betrieb aufgenommen wird, ohne seinerseits Pflichten zu übernehmen. Er unterliegt daher auch nicht dem Direktionsrecht des Arbeitgebers. Er muss regelmäßig keine bestimmte Arbeitszeit einhalten und ist auch nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet. Selbst redend ist, dass im Rahmen eines Einfühlungsverhältnisses beide Parteien daher auch das Recht zur jederzeitigen Beendigung des Verhältnisses haben. Zur Vergütungszahlung ist der Arbeitgeber im Rahmen eines solchen Einfühlungsverhältnisses nur verpflichtet, wenn hierüber eine ausdrückliche Vereinbarung getroffen wurde. Dies gilt selbst dann, wenn der Bewerber verwertbare oder nützliche Tätigkeiten verrichtet.

 

Da zumeist schriftliche Absprachen über die Ausgestaltung der Schnupperphase fehlen, ist die Frage, ob bereits eine vergütungspflichtige Zusammenarbeit begründet wurde oder es sich lediglich um eine unverbindliche Kennenlernphase handelt, anhand der vereinbarten Pflichten zu prüfen. Muss der Arbeitnehmer täglich eine bestimmte Arbeitsleistung erbringen und zwar weisungsabhängig und unter Beachtung des Direktionsrechtes des Arbeitgebers kann nicht mehr von einem unverbindlichen Einfühlungsverhältnis ausgegangen werden, sondern von der Begründung eines Arbeitsverhältnisses. Indizien hierfür können u. a. auch sein, dass der Arbeitgeber eine fehlende Pünktlichkeit oder mangelnde Qualität der Arbeitsleistung beanstandet. Insoweit verbietet der Schutzzweck des Arbeitsrechtes mit dem Arbeitnehmer Vereinbarungen zu treffen, wonach dieser keine Vergütung für seine Arbeitsleistung erhält.

 

Im Zweifel sollte also nicht nur ein klärendes Wort, sondern auch eine entsprechende kurze schriftliche Vereinbarung über die Ausgestaltung und Vergütungsfrage vor Beginn der Tätigkeit erfolgen.

 


Nicole Brauer
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Kasinostraße 5, 64293 Darmstadt
Tel. 06151/30 766-0

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