Kündigung: Versteckspiel zählt nicht!

Veröffentlicht in der Tageszeitung "Darmstäder Echo" am 11.02.2006

Kündigung: Versteckspiel zählt nicht!

Zugangsvereitelung durch den Arbeitnehmer bei Nichtangabe einer neuen Anschrift

 

Seit einer Gesetzesänderung im Jahr 2001 muss die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses zwingend schriftlich erfolgen, anderenfalls ist sie unwirksam. Darüber hinaus ist zudem zu berücksichtigen, dass die Kündigung, die im juristischen Sprachgebrauch eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung darstellt, dem Arbeitnehmer auch zugehen muss. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn die Kündigung in den Machtbereich des Empfängers gelangt, so dass dieser die Möglichkeit zur Kenntnisnahme hat. Wird die Kündigung persönlich übergeben, bereitet der Zugang regelmäßig keine Schwierigkeit. Anders kann dies aber sein, wenn das Kündigungsschreiben mit der Post an den Arbeitnehmer übersendet wird. Grundsätzlich ist eine per Brief versendete Kündigung erst dann zugegangen, wenn diese in dem Hausbriefkasten des Arbeitnehmers eingelegt ist. Da der Arbeitgeber bei dieser Form der einfachen Briefzustellung allerdings keinen Zugangsnachweis erhält, ist bei einer Postversendung eine Kündigung mittels Einwurf-Einschreiben zu bevorzugen.

 

In der Praxis besteht häufig das Problem, dass der Arbeitnehmer einen Umzug und eine damit einhergehende Adressänderung verschweigt und eine sodann per Post übersandte Kündigung nicht oder nicht rechtszeitig zugeht.

 

Das Bundesarbeitsgericht hat in einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung (BAG vom 22.9.2005, Az.: 2 AZR 366/04) eine treuwidrige Zugangsvereitelung der Kündigung bejaht, wenn der Arbeitnehmer während des Arbeitsverhältnisses seine richtige Anschrift nicht bekannt gibt. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall ging es um die Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers, der knapp sechs Monate im Betrieb des Arbeitgebers beschäftigt war. Besteht das Arbeitsverhältnis eines schwerbehinderten Arbeitnehmers bei Zugang der Kündigung noch nicht länger als sechs Monate, so bedarf die Kündigung nicht der Zustimmung des Integrationsamtes und ist darüber hinaus auch nicht nach den Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes auf ihre soziale Rechtfertigung zu überprüfen. Die rechtszeitige Zustellung war also für den Arbeitgeber in diesem Fall von entscheidender Bedeutung. Allerdings war die rechtzeitige Zustellung der Kündigung für den Arbeitgeber nicht möglich, da diesem während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses die richtige Anschrift des Arbeitnehmers nicht bekannt war. Der Arbeitnehmer hatte vielmehr im Arbeitsvertrag noch seine alte Wohnanschrift angegeben, aus dieser Wohnung war er aber bereits vor Beginn des Arbeitsverhältnisses ausgezogen. Nachdem der Arbeitnehmer durch den Betriebsrat von der Kündigungsabsicht des Arbeitgebers erfuhr, teilte er dem Arbeitgeber mit der Übersendung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erneut als seine Anschrift die Wohnung mit, aus der er schon vor Beginn des Arbeitsverhältnisses ausgezogen war.

 

Nach Auffassung des BAG hat der Arbeitnehmer die ihm gegenüber seinem Arbeitgeber obliegenden Sorgfaltspflichten bereits dadurch erheblich verletzt, dass er seinem Arbeitgeber während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses eine Adresse mitgeteilt hat, unter der er tatsächlich nicht mehr zu erreichen war. Einen noch gravierenderen Pflichtenverstoß sah das BAG darin, dass der Arbeitnehmer zu einem Zeitpunkt, zu dem er mit dem Zugang der Kündigung rechnen musste, den von ihm verursachten Irrtum über seine tatsächliche Anschrift noch dadurch verstärkte, dass er erneut die falsche Adresse auf der Krankmeldung angegeben hat. In dem konkreten Fall musste sich der Arbeitnehmer daher so behandeln lassen, als ob eine rechtzeitige Zustellung der Kündigung erfolgt sei.

 

Die Entscheidung des BAG macht deutlich, dass dem Arbeitnehmer die Pflicht obliegt, seinem Arbeitgeber stets die aktuelle Anschrift zur Kenntnis zu bringen. Der Arbeitnehmer kann nicht damit rechnen, dass die Angabe einer unrichtigen Anschrift den Zugang einer Kündigung verhindert oder verzögert.

 


Nicole Brauer
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Kasinostraße 5, 64293 Darmstadt
Tel. 06151/30 766-0

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