Schadenersatzhaftung des Arbeitnehmers: Kleiner Fehler - Großer Schaden?

Veröffentlicht in der Tageszeitung "Darmstäder Echo" am 20.05.2006

Schadenersatzhaftung des Arbeitnehmers: Kleiner Fehler – Großer Schaden?

 

Generell gilt: Die Verletzung vertraglicher Pflichten kann Schadenersatzsprüche zwischen den Vertragsparteien nach sich ziehen. Vorausgesetzt, dass der Schadenseintritt auf das Verhalten des Schuldners zurückzuführen ist, muss dieser schon bei leichter Fahrlässigkeit - also schon bei einer kleinen Unachtsamkeit - dafür gerade stehen.

Das Bundesarbeitsgericht hat schon früh erkannt, dass diese Haftungsgrundsätze im Arbeitsrecht zu unbilligen Ergebnissen führen können, wenn die schädigende Handlung einem Arbeitnehmer bei Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit passiert. Schließlich handelt der Arbeitnehmer dabei im Interesse des Arbeitgebers und es wäre nicht gerecht, ihm die Gefahr eines Schadens aufzuerlegen, die der Arbeitgeber ohne den Einsatz fremder Arbeitskraft selbst zu tragen hätte. Nach den Grundsätzen des sog. innerbetrieblichen Schadensausgleichs wird daher bei der Haftung des Arbeitnehmers nach dem Grad seines Verschuldens unterschieden. Danach gilt:

 

  • Leichte Fahrlässigkeit: Keine Haftung des Arbeitnehmers
  • Mittlere Fahrlässigkeit: Schadensteilung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer
  • Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit: Volle Haftung des Arbeitnehmers.

 

Welcher der oben genannten Verschuldensgrade anzunehmen ist, muss stets anhand des Einzelfalls geprüft werden. Die Rechtsprechung hierzu ist mannigfaltig. Wichtig ist zu wissen, dass die Arbeitsrichter bei der Schadensaufteilung berücksichtigen, ob der Arbeitgeber für den Schadenseintritt mitverantwortlich ist. Das ist etwa der Fall, wenn sich im Schaden ein Risiko verwirklicht, für das dem Arbeitgeber der Abschluss einer Versicherung möglich gewesen wäre. Auch organisatorische Mängel muss der Arbeitgeber sich ankreiden lassen. Dies zeigt der Fall einer Flugbegleiterin, für die der Arbeitgeber eine Einreisestrafe von 3.000 US-Dollar zahlen musste, weil diese ihre Einreisedokumente nicht bei sich hatte. Zwar ging das BAG von mittlerer Fahrlässigkeit der Arbeitnehmerin aus, den vollen Schadenersatz sprach es dem Arbeitgeber aber nicht zu, weil dieser keine organisatorischen Maßnahmen, wie entsprechende „Checks“ der Crew ergriffen hatte (BAG v. 16. 02. 1995 = 8 AZR 493/93).

 

Der Paradefall für grobe Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers liegt beim Überfahren einer roten Ampel mit dem Dienst-PKW vor. Jedoch gibt es auch dann noch Hoffnung für den Arbeitnehmer. Stehen Schaden und Verdienst in einem krassen Missverhältnis, so nimmt die Rechtsprechung eine Kappung des Schadenersatzanspruches vor, wenn sonst eine Existenzgefährdung des Arbeitnehmers eintreten würde.

 

Eine weitere Abweichung vom normalen Schadenersatzrecht besteht zugunsten des Arbeitnehmers im Streitfall auch bezüglich der Beweissituation. Hat man einen Schaden verursacht, so muss man im Streitfall regelmäßig darlegen, dass man hierfür nicht verantwortlich war. Gelingt einem diese Entlastung nicht, so bleibt man im Juristendeutsch „beweisfällig“ und wird verurteilt. Genau das Gegenteil ist angesichts § 619 a BGB im Arbeitsrecht der Fall. Gelingt es dem Arbeitgeber nicht, neben der Schadensverursachung auch die Tatsachen für die Annahme der o. g. Verschuldensgrade zu beweisen, so wirkt sich dies zu seinen Lasten aus und er bekommt weniger oder gar nichts. Arbeitnehmer mit geringem Einkommen sollten schließlich wissen, dass der Arbeitgeber sich bei Schäden auch nicht einfach durch Gehaltsabzug schadlos halten darf. Hier gibt es gesetzlich festgelegte Grenzen, die so genannten Pfändungsfreigrenzen, die der Arbeitgeber beim Abzug seiner Schadensersatzforderung berücksichtigen muss.

 


Nicole Brauer
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Kasinostraße 5, 64293 Darmstadt
Tel. 06151/30 766-0

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