Verhaltensbedingte Kündigung: Pflichten des Arbeitnehmers bei Arbeitsverhinderung

Veröffentlicht in der Tageszeitung "Darmstäder Echo" am 15.04.2006

Verhaltensbedingte Kündigung: Pflichten des Arbeitnehmers bei Arbeitsverhinderung

 

Häufiger Streitgegenstand arbeitsrechtlicher Auseinandersetzungen bilden Pflichtverstöße des Arbeitnehmers im Zusammenhang mit der Verhinderung die Arbeitsleistung zu erbringen. Landläufig findet sich oft die Formulierung des „unentschuldigten Fehlens“ bei der Frage, ob das Verhalten des Arbeitnehmers berechtigter Weise eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses nach sich ziehen durfte. Gemeint und vom Bundesarbeitsgericht als Kündigungsgrund anerkannt sind dabei Fälle, in denen der Arbeitnehmer eine nicht unerhebliche Zeit der Arbeit fern bleibt, ohne hierfür einen Grund vorbringen zu können, wieso er im konkreten Fall von seiner Arbeitspflicht entbunden war. Die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers infolge Krankheit ist zwar ein solcher Rechtfertigungsgrund, dennoch darf der Arbeitnehmer auch während seiner Erkrankung nicht einfach untätig zu Hause bleiben, sondern muss seinen Arbeitgeber unverzüglich über seine Arbeitsverhinderung informieren und zwar unabhängig davon, ob im Einzelfall ein ärztliches Attest vorzulegen ist.

 

Kommt der Arbeitnehmer dieser in § 5 Entgeltfortzahlungsgesetz normierten Anzeigepflicht nicht nach, kann der Arbeitgeber zwar regelmäßig nicht schon beim ersten Verstoß des Arbeitnehmers eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses aussprechen, eine Abmahnung wird aber in diesem Fall gerechtfertigt sein. Für Arbeitnehmer gilt daher: Sobald man erkennt, dass man infolge einer Erkrankung nicht oder nicht rechtzeitig zur Arbeit erscheinen kann, „tickt die Uhr“, d. h. der Arbeitnehmer ist verpflichtet, seinen Arbeitgeber hiervon in geeigneter Form in Kenntnis zu setzen, widrigenfalls er eine Abmahnung riskiert. Am besten dazu eignet sich ein Anruf in der Personalabteilung oder beim direkten Vorgesetzten. Beauftragt der Arbeitnehmer mit der Erfüllung dieser Pflicht einen Arbeitskollegen oder sonstige Dritte, so sollte es sich um zuverlässige Personen handeln, denn deren „Vergesslichkeit“ muss man sich bei fehlender Übermittlung der Botschaft zurechnen lassen.

Neben dieser Anzeigepflicht kennt das Entgeltfortzahlungsgesetz die sog. Nachweispflicht im Krankheitsfall. Danach muss der Arbeitnehmer, dessen Erkrankung länger als drei Kalendertage andauert, spätestens an dem darauf folgenden Arbeitstag ein ärztliches Attest, vorlegen. Ist der Arbeitnehmer beispielsweise am Freitag einer Woche erkrankt und dauert die Erkrankung über das Wochenende an, so muss er dem Arbeitgeber am darauf folgenden Montag ein ärztliches Attest vorlegen.

 

Wann ein Verstoß gegen die Anzeige- und Nachweispflicht kündigungsrelevant ist, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Da es sich bei den Anzeige- und Nachweispflichten des Arbeitnehmers um so genannte Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis handelt, ist eine verhaltensbedingte Kündigung regelmäßig erst nach mindestens einer einschlägigen Abmahnung möglich. In der Praxis scheitern derartige Kündigungen allerdings häufig daran, dass der Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung keine oder keine wirksame Abmahnung ausgesprochen hat. In der Abmahnung muss dem Arbeitnehmer deutlich die Notwendigkeit der Einhaltung der konkreten Verpflichtung vor Augen geführt werden und für den Wiederholungsfall die Kündigung des Arbeitsverhältnisses angedroht werden. Eine fristlose Kündigung hingegen kommt in solchen Fällen eher selten in Betracht, es sei denn, dass der Arbeitnehmer sich trotz einschlägiger Abmahnung hartnäckig weigert, seine Anzeige- und Nachweispflichten zu erfüllen.

 

In diesen Komplex der verhaltensbedingten Kündigungsgründe gehört schließlich auch das wiederholte zu spät kommen des Arbeitnehmers, das den Arbeitgeber je nach Häufigkeit und zeitlicher Intensität ebenfalls zur Kündigung berechtigen kann. Wurde ordentlich abgemahnt zeigt das Bundesarbeitsgericht wenig Verständnis für Ausreden des Arbeitnehmers, sondern legt dem Arbeitnehmer die Pflicht auf, entsprechende Vorkehrmaßnahmen zu treffen. „Wer wiederholt den Wecker nicht hört und verschläft, muss für einen lauteren Wecker oder für ein Aufwecken durch zuverlässige Dritte sorgen und nicht spät, sondern frühzeitig ins Bett gehen“, so das BAG in einem Urteil vom 27. 02. 1997 = 2 AZR 306/96.

 


Nicole Brauer
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Kasinostraße 5, 64293 Darmstadt
Tel. 06151/30 766-0

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