Wann ist eine Versetzung für den Arbeitnehmer zumutbar?

Veröffentlicht in der Tageszeitung "Darmstäder Echo" am 25.06.2005

In der heutigen Zeit wird von Arbeitnehmern eine immer höhere Flexibilität am Arbeitsplatz erwartet. In der Praxis stellt sich daher vermehrt die Frage, wann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine andere Arbeit bzw. zusätzliche Arbeiten zuweisen oder diesen sogar an einen anderen Arbeitsort versetzen darf. Von einer Versetzung im arbeitsrechtlichen Sinn spricht man, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung zukünftig an einem anderen Arbeitsort erbringen soll oder dauerhaft ein andersartiger Aufgabenbereich übertragen wird. Allerdings kann auch in dem bloßen Entzug von wesentlichen Aufgaben eine Versetzung liegen. So z.B. wenn einem Außendienstmitarbeiter, der zunächst als Vertriebsleiter eingesetzt war, die Mitarbeiterführung oder Leitung des Vertriebsgebietes entzogen wird.

Wann im Einzelfall von einer Versetzung auszugehen ist und in welchem Maße diese vom Arbeitnehmer hinzunehmen ist, ist anhand der arbeitsvertraglichen Regelungen sowie eines Vergleiches zwischen der bisherigen und der neuen Tätigkeit zu beurteilen.

Grundsätzlich steht es dem Arbeitgeber kraft seines arbeitsvertraglichen Weisungsrechtes – auch Direktionsrecht genannt – zu, den Inhalt, Ort und sowie die Zeit der Arbeitsleistung näher zu bestimmen. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers kann aber durch Gesetz, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder den Arbeitsvertrag eingeschränkt sein. So sehen viele Arbeitsverträge klare Regelungen zu Aufgabe, Umfang und Ort der Arbeitsleistung vor. Häufig findet man auch sog. Versetzungsvorbehaltsklauseln im Arbeitsvertrag, bei denen sich der Arbeitgeber vorbehält, dem Arbeitnehmer eine andere zumutbare Tätigkeit zuzuweisen. Solange hierbei die Interessen des Arbeitsnehmers hinreichend gewahrt sind und insbesondere die neue Tätigkeit gleichwertig ist, steht der Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung nichts entgegen. Nach einer Gesetzesänderung im Jahr 2002 sind mittlerweile aber Klauseln, die dem Arbeitgeber das Recht einräumen, dem Arbeitnehmer eine geringwertigere Arbeit zu übertragen, auf dem Prüfstand. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden diese künftig von den Arbeitsgerichten nicht mehr für wirksam erachtet. Auf keinen Fall jedoch umfasst das Direktionsrecht des Arbeitgebers die Befugnis zur Versetzung des Arbeitnehmers auf einen anderen Arbeitsplatz bei geringerer Entlohnung. Will der Arbeitgeber dennoch derartige inhaltliche Änderungen des Arbeitsvertrages herbeiführen, muss er entweder mit dem Arbeitnehmer eine Änderung des Arbeitsvertrages vereinbaren oder eine Änderungskündigung aussprechen.

Beschäftigt ein Unternehmen regelmäßig mehr als 20 Mitarbeiter und besteht ein Betriebsrat, ist dieser zudem vor der Versetzung zu beteiligen. Der Arbeitgeber kann die personelle Maßnahme erst dann wirksam durchführen, wenn die Zustimmung des Betriebsrates vorliegt. Zuvor muss der Arbeitnehmer der Weisung des Arbeitgebers weder nachkommen noch stellt seine Weigerung einen arbeitsvertraglichen Pflichtenverstoß dar.

 


Nicole Brauer
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Kasinostraße 5, 64293 Darmstadt
Tel. 06151/30 766-0

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